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«Wir Menschen wollen nicht auf unser Leben zurückblicken und stolz darauf sein, dass wir viel gearbeitet haben, sondern wir wollen stolz darauf sein, ein gelungenes Leben geführt zu haben.»

Im Rahmen ihrer neuen Studie befragt die plattform renommierte Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Bildung und Forschung zum Potenzial von New Work in der Gesellschaft. Den Start macht Ali Mahlodji, Trendforscher, Arbeits- und Bildungsexperte, CEO von futureOne und Gründer von whatchado. Er erklärt, wie wir Zugang zu sinnstiftender Arbeit finden und wie die GenZ so tickt.

Was bedeutet «New Work» für Sie?

New Work bedeutet ein Gedankenmodell, bei dem wir uns zum ersten Mal die Frage stellen: Muss Arbeit wirklich so sein, wie sie ist und geht es nicht auch viel effizienter und menschenzentrierter? Macht es nicht Sinn, alle Technologien und Erkenntnisse, die wir mittlerweile haben, zum Nutzen aller einzusetzen, damit auch die Arbeit am Ende des Tages effektiv und effizient erfolgt und wir gute, langfristige Entscheidungen treffen? Das hat nichts mit verstellbaren Tischen oder Open Office-Themen zu tun. Das sind Dinge, die quasi kleine Auswüchse davon sein können und sich auch auf jedes Konzept anpassen lassen. Aber New Work bedeutet eine Arbeitswelt, in der Menschen wirklich das tun, was sie wirklich, wirklich wollen.

«Menschenzentriertes Arbeiten bedeutet, der Frage nachzugehen, wie wir die Arbeit um die Menschen herum aufbauen können, damit der Mensch im Zentrum steht.» 

Wie funktioniert menschenzentriertes Arbeiten?

Menschenzentriertes Arbeiten bedeutet, dass wir das tun, was die GenZ eigentlich möchte. Die GenZ denkt neu. Sie sagt, dass wir Globalisierung, Digitalisierung, neue Technologien, neue Erkenntnisse zum Wohle der Menschen einsetzen sollten. Die Frage ist nicht mehr, wie in der Vergangenheit oder bei der Generation X, wo man gesagt hat, wenn es neue Technologien gibt, gibt es Digitalisierung und Globalisierung. Was können die Menschen tun, damit sie fit für diese neuen Technologien werden? Die GenZ dreht den Spiess um und fragt: Was können all diese Errungenschaften für uns Menschen tun? Und darum geht es. Wir Menschen wollen nicht auf unser Leben zurückblicken und stolz darauf sein, dass wir viel gearbeitet haben, sondern wir wollen stolz darauf sein, ein gelungenes Leben geführt zu haben.

Menschenzentriertes Arbeiten bedeutet also, der Frage nachzugehen, wie wir die Arbeit um die Menschen herum zentrieren können, also um die Menschen herum aufbauen, damit der Mensch im Zentrum steht.

Sind neue Technologien dafür eher förderlich oder hinderlich?

Technologien sind auf jeden Fall förderlich, wenn wir uns nicht wieder im Aktivismus verlieren. Das heisst, wir müssen uns bewusst sein, dass alle neuen Technologien, die wir erschaffen, erstmal in unser Leben integriert werden müssen. Das umfasst zum Beispiel das Thema Social  Media. Social Media kann ein grosser Segen sein. Die Wahrheit ist, wir haben uns alle auf Social Media geschmissen, haben es überall eingeführt und jeder verwendet es privat. Die Menschen sind mittlerweile Sklaven davon. Setzt man allerdings Tools, die einen Bedarf nähren wirklich gut ein, dann sind die natürlich unfassbar toll.

Aber die Wahrheit ist allerdings, dass man zwischen Bereichen, wo Technologien helfen und Bereichen, wo sie eher hinderlich sind, unterscheiden muss, weil sie uns von dem trennen, wer wir wirklich sind. Zum Beispiel: E-Mails Schreiben ist kein Segen, sondern es ist für viele Menschen ein Fluch, weil es uns leider auch antrainiert hat, dass wir in echt gar nicht mehr miteinander reden, sondern wir uns lieber eine E-Mail schicken. Wir schicken lieber sieben E-Mails, anstatt jemanden anzurufen und zu sagen «Hey, wie können wir das per Telefon klären?»

Welches gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Potenzial hat New Work?

New Work hat das grosse Potenzial, dass wir wirklich aus der Businesswelt heraus und um die Businesswelt herum eine Gesellschaft erschaffen, in der Menschen gerne zur Arbeit gehen. Das führt dazu, dass Menschen glücklicher werden. Und das führt schlussendlich dazu, dass Menschen nicht mehr nur eine Konsument:innen-Rolle einnehmen, wo sie am Ende der Woche nach einem harten Arbeitstag sagen: «So, jetzt muss ich mir schnell eine Handtasche gönnen. Jetzt muss ich mir dieses und jenes gönnen.» Sondern wir haben Menschen, die glücklicher sind. Und Menschen, die glücklicher sind, sind auch viel mehr im Einklang mit der Natur, mit der Welt und mit der Ökologie, die uns komplett umgibt. Das heisst, die Arbeitswelt ist immer der grösste Hebel für Transformation, der auch vorleben kann, was es heisst, wenn Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft Hand in Hand gehen.

«Jede Arbeit ist sinnstiftend, wenn wir verstehen wie das was wir tun, auch irgendjemand anderem etwas bringt.» 

Wie können Arbeitgeber:innen das sinnstiftende Arbeiten fördern?

Da gibt es einen ganz einfachen Zugang. Und zwar müssen sich Arbeitgeber:innen die Frage stellen: Was ist die Daseinsberechtigung meines Unternehmens? Warum gibt es uns? Wenn jemand sagt «Naja, weil wir Schrauben verkaufen», dann würde ich sagen; «Naja, dein Konkurrent verkauft auch Schrauben». Was ist euer Beitrag zur Gesellschaft? Diese Frage gilt es zu klären, und zwar in der gesamten Organisation, damit die Menschen für sich herausfinden, was ist ihr Beitrag zum grossen Ganzen ist.

Wie findet man als Erwerbstätige:r eine sinnstiftende Arbeit?

Um es ganz salopp zu sagen: Jede Arbeit ist sinnstiftend, wenn wir verstehen wie das was wir tun, auch irgendjemand anderem etwas bringt. Das heisst, wenn du in der Buchhaltung sitzt und den ganzen Tag Zahlen in eine Excel-Tabelle tippst und sagst: «Naja, ich tippe nur Zahlen im Excel», dann wirst du keine sinnstiftende Arbeit haben. Wenn du allerdings sagst: «Wenn ich diese Zahlen hier eintippe, dann weiss ich, dass sich meine Kolleginnen und Kollegen am Ende des Monats darauf verlassen können, dass sie ihr Gehalt pünktlich ausbezahlt bekommen.» Dann hast du eine sinnstiftende Arbeit. Dann weisst du, dass das, was du machst, einen Sinn hat. Und das ist das Wichtigste für Führungskräfte: Räume und Formate zu schaffen, wo die Mitarbeiter:innen für sich selbst sehr gut herausfinden können oder sie ganz klar sehen, dass das, was sie tun, einen Sinn hat.

Ein U-Bahn-Fahrer kann natürlich sagen: «Ich fahre jetzt in den Tunnel. Da gibt es Knöpfe, die ich drücke. Das ist ganz nett.» Oder der U-Bahn-Fahrer sagt: «Durch meine Arbeit bewege ich die Stadt. Weil es mich gibt, können sich andere Menschen auf die U-Bahn verlassen.» Das ist ein Zugang dazu.

Jahresthema 2023: New Work

Gemeinsam mit zahlreichen Expertinnen und Experten erkundet die plattform im Jahr 2023 das Potenzial von New Work in der heutigen Gesellschaft und identifiziert allfälligen Handlungsbedarf für Politik und Wirtschaft. Bei diesem Interview handelt es sich um einen Auszug aus dem Gespräch mit Ali Mahlodji. Ein vollständiger Ergebnisbericht sowie konkrete Policy-Empfehlungen werden im Winter 2023 vorliegen.

Zur Person

Ali Mahlodji wurde 1981 im Iran geboren und kam im Kleinkindalter als Flüchtling nach Europa. Er begann seine Karriere als Schulabbrecher mit über 40 Jobs und gründete aus einer Kindheitsidee heraus whatchado.com - das digitale Handbuch der Lebensgeschichten, heute Marktführer für Video-Employerbranding im deutschsprachigen Raum. Er begleitet das Unternehmen als CEO bis zur Marktführerschaft und widmete sich die letzten Jahre verstärkt der Begleitung der Gesellschaft in Zeiten der Veränderung. In seiner Rolle als Experte für Arbeit und Bildung inspiriert und begleitet er Führungskräfte und HR-Teams bei der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen. 2021 wurde er ins internationale Forbes Business Council berufen. Die EU ernannte ihn als Übersetzer zwischen den Generationen zum EU-Jugendbotschafter auf Lebenszeit. UNICEF ernannte ihm zum Ehrenbeauftragten. Ali Mahlodji ist studierter Experte für Verteilte Computersysteme und hatte Managementpositionen bei Siemens und beim internationalen Tech-Konzern Sun Microsystems inne und wurde 2x unter die Top50 High Potential Österreichs gewählt.

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