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Homeoffice benötigt eine moderne Gesetzesgrundlage
Ein längst überholtes Arbeitsgesetz
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Während die Digitalisierung mobiles Arbeiten, vor allem in Wissensberufen, möglich gemacht hat, verlangt die Post-Corona-Gesellschaft neue Beschäftigungsformen und -grade (vgl. plattform-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen im Homeoffice). Selbstständigkeit, Crowdworking und Gig-Ökonomie nehmen zu. Erwerbstätige sind immer weniger an einen fixen Arbeitsplatz gebunden und können gleichwohl im Büro, im Zug, von zuhause aus oder in Coworking-Spaces arbeiten.
Das gegenwärtige Arbeitsgesetz jedoch stammt aus dem Industriezeitalter und ist auf fixe Arbeitszeiten im Betrieb ausgelegt. Jürg Eggenberger, Geschäftsleiter der Schweizer Kader Organisation SKO, einem Mitglieder-Verband der plattform, betont: «Gesellschaften verändern sich und mit ihr auch die traditionellen Arbeitsmodelle. Der klassische Nine-to-five-Büro-Job kommt immer seltener vor. Und doch ist das örtlich flexible Arbeiten immer noch nicht gesetzlich geregelt. Im Gegenteil: Eine immer agilere Gesellschaft blickt derzeit auf ein starres Arbeitsgesetz, welches Homeoffice aussenvorlässt. Dies gilt es dringend zu ändern.»
Flexible Arbeitsmodelle bringen klare Vorteile
Erwerbstätige aus dem Dienstleistungssektor und den Wissensberufen machen mit 80% die Mehrheit der Arbeitnehmenden aus (Vgl. Wirtschaftsstruktur BfS) und gehören zur derzeit am stärksten wachsenden Berufsgruppe der Schweiz. Homeoffice bietet ihnen eine grosse Flexibilität in der Arbeitsgestaltung und kann die Motivation, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie die Gesundheit fördern, solange betroffene Arbeitnehmende einen erhöhten Gestaltungsspielraum geniessen und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen klar definiert sind.
Dies bestätigen aktuelle arbeitsmedizinische Studien: Flexibilität, Gestaltungsfreiraum und klare Regeln gleichen Stressoren, welche aus der Arbeit oder dem Privatleben resultieren, wieder aus. Auch aus der Umfrage, welche die plattform im Pandemie-Jahr 2020 unter ihren erwerbstätigen Mitgliedern durchgeführt hat, geht klar hervor, dass Berufsleute aus Dienstleistungs- und Wissensberufen das Arbeiten im Homeoffice schätzen. Rund 96% geben fast ausnahmslos an, gut von zuhause aus arbeiten zu können. Bis zu 63% möchten künftig mehr im Homeoffice arbeiten und weitere 45% möchten mehr virtuelle Sitzungen durchführen. Für die Mehrheit der Schweizer Arbeitnehmenden ist Homeoffice seitdem Realität geworden und regelmässige Homeoffice-Tage sind auch für viele Firmen eine Selbstverständlichkeit geworden. Eine langfristige Lösung ist daher vonnöten, wenn auch künftig im Homeoffice gearbeitet wird und das Modell nicht mehr nur eine zeitlich begrenzte Alternative in einer Krisensituation ist.
Die Gesetzesgrundlage für Homeoffice muss dringend angepasst werden
Die plattform fordert deswegen eine Modernisierung des geltenden Arbeitsgesetzes und Ergänzungen im Obligationenrecht. Es braucht eine klare Definition der Arbeit – nicht nur innerhalb, sondern auch ausserhalb des Betriebs. Vor allem müssen dabei die Arbeits- und Ruhezeiten geregelt und abgegrenzt werden. Eggenberger erklärt: «Gerade bei Homeoffice ist der Vollzug des Arbeitsrechts schwieriger. Es reicht daher nicht aus, sich auf ein Gesetz aus dem Industriezeitalter zu berufen, welches für ganz andere Bedingungen geschaffen wurde und zu hoffen, dass es eingehalten wird.» Homeoffice beruht auf gegenseitigem Vertrauen und auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. «Ein besonderes Augenmerk gilt auch dem Gesundheitsschutz im Homeoffice, denn das betriebliche Gesundheitsmanagement BGM deckt das Arbeiten von zuhause aus nicht ab» führt Eggenberger fort. «Zeitliche Flexibilität und individuelle Präventionsmassnahmen, welche psychosoziale Risiken angemessen berücksichtigen, sollen deshalb die gesetzliche Grundlage für Homeoffice darstellen.»
Ausserdem sind Ergänzungen im Obligationenrecht OR vonnöten, um die Eckpunkte einer Homeoffice-Vereinbarung zu definieren. Darunter fallen beispielsweise der Umfang der Arbeit im Homeoffice, die Erreichbarkeit, die allfällige Übernahme der mit der Verrichtung von Homeoffice verbundenen Ausgaben, die Bereitstellung von Hard- oder Software sowie Versicherungen und Datensicherheit. Auch muss auf die Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeit, Gesundheitsschutz und allfällige Arbeitszeiterfassung hingewiesen werden. Nur so können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmende künftig auf gemeinsame Grundlagen berufen und verfügen über die notwendige Rechtssicherheit für die Ausübung von Homeoffice.
Anlässlich der aktuellen Sommersession 2021 wird Daniel Jositsch, Präsident des Kaufmännischen Verbands Schweiz, eine entsprechende Motion im Parlament einreichen.