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Homeoffice ist kein Randphänomen mehr – Modernisierung ist gefordert

Das Arbeiten im Homeoffice hat sich im Zuge der Corona-Pandemie branchenübergreifend etabliert. Spätestens seit dem 18. Januar 2021 ist es eine Realität im Arbeitsalltag vieler Menschen, da in der Schweiz die Homeoffice-Pflicht eingeführt wurde. Ungeachtet der Pflicht wird es zunehmend regelmässig genutzt.

Es findet als flexibles Zukunftsmodell grossen Zuspruch – insbesondere bei Berufsleuten in Dienstleistungs- und Wissensberufen. Davon zeugt auch eine Mitglieder-Umfrage der plattform.

Seit dem Zeitpunkt der Umfrage wurden zahlreiche Vorstösse im Parlament eingereicht: Sie setzen sich mit Fragen rund um die Mobilität und Erreichbarkeit der Arbeitnehmenden auseinander sowie mit Auswirkungen von Homeoffice im Bereich des Gesundheitsschutzes. Auch die mit Homeoffice verbundenen Berufskosten sind ein heiss debattiertes Thema. Damit Homeoffice langfristig und über die aktuelle Krisensituation hinaus tragfähig wird, fordern die Angestellten- und Berufsverbände der plattform – eine genaue Beurteilung der rechtlichen Lage und eine Modernisierung des geltenden Arbeitsgesetzes.

Zwar ist die rechtliche Lage zu Beginn des Jahres 2021 immer noch dieselbe, aber die Verbreitung der Arbeit im Homeoffice, die Akzeptanz und die Datenlage haben sich im Zuge der Corona-Pandemie erheblich verändert. So haben seit dem Lockdown im letzten Frühling grosse Teile der Bevölkerung im Homeoffice gearbeitet. Homeoffice ist also kein Randphänomen mehr. Diese Entwicklung bestätigen auch die im Mai 2020 von der plattform befragten Berufsleute aus Dienstleistungs- und Wissensberufen: Bei allen Befragten – unabhängig davon, ob sie früher schon im Homeoffice gearbeitet haben oder diese Arbeitsform für sich entdecken – ist aus der Corona- Krise ein Bedürfnis nach mehr Homeoffice entstanden. Die überwältigende Mehrheit (96 %) gab an, gut von zu Hause arbeiten zu können. Insgesamt möchten 52 % (sogar bis zu 63 % bei Homeoffice-Gewohnten) künftig mehr im Homeoffice arbeiten und 45 % möchten mehr virtuelle Sitzungen durchführen. Bei Erwerbstätigen mit Kindern ist dieser Wunsch besonders gross. Die gelebte, wenn auch erzwungene, Vereinbarkeit in der Krise hat sich also als positiv erwiesen.

Homeoffice bietet Berufsleuten in Dienstleistungs- und Wissensberufen allgemein eine grössere Flexibilität in der Arbeitsgestaltung und kann die Motivation, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie die Gesundheit fördern, solange betroffene Arbeitnehmende einen erhöhten Gestaltungsspielraum geniessen und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen klar definiert sind. Viele Punkte, die vor der Corona-Pandemie noch problematisch erschienen – wie Präsenzzeiten, Erreichbarkeit, Abgrenzung zum Privatleben und technische Voraussetzungen – sind durchaus lösbar. Auch hat sich gezeigt, dass nicht nur Arbeitnehmende vom Homeoffice profitieren: Arbeitgeber können eine erhöhte Effizienz der Mitarbeitenden vermerken, welche zum Teil auch kostenwirksamer eingesetzt werden können. Zudem wird durch Remote-Work und virtuelle Sitzungen sehr viel Reisezeit gespart, welche für andere Tätigkeiten genutzt werden kann.

Die bisher unveränderte rechtliche Lage muss unter diesen neuen Voraussetzungen dringend neu betrachtet werden. Denn Homeoffice ist im Gesetz nirgendwo geregelt. Weder das Privatrecht (OR) noch das geltende Arbeitsgesetz oder Heimarbeitsgesetz sind auf die Besonderheiten vom Homeoffice ausgerichtet: namentlich, dass die Arbeit sowohl zeitlich, als auch örtlich flexibel ausgeführt werden kann. Wenn Homeoffice zur neuen Normalität in der Arbeitswelt werden soll, braucht es unbedingt Klarheit bezüglich der Rahmenbedingungen. Drei Handlungsebenen stechen dabei besonders hervor: die Regelung der Arbeits- und Ruhezeiten, welche über das Arbeitsgesetz definiert sind, die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur, welche Teil einer Vereinbarung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden sein kann sowie die Sicherstellung des Gesundheitsschutzes für die Arbeit ausserhalb des Betriebs. Dies ist vor allem längerfristig vonnöten, wenn über mehrere Monate oder Jahre hinweg im Homeoffice gearbeitet wird und das Modell nicht mehr nur eine zeitlich begrenzte Alternative in einer Krisensituation ist.

So muss die Regelung der Arbeits- und Ruhezeiten die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben besser
berücksichtigen. Das gegenwärtige Arbeitsgesetz ist auf fixe Arbeitszeiten im Betrieb ausgelegt. Es stammt aus dem Industriezeitalter und entspricht nicht mehr den neuen gesellschaftlichen und arbeitsmarktlichen Bedürfnissen unserer Dienstleistungsgesellschaft. Das Arbeitsgesetz muss entsprechend für das Arbeiten ausserhalb des Betriebs ergänzt, und die Ruhe- und Arbeitszeitvorschriften müssen vereinfacht werden.

Erschwert wurde die Arbeit im Homeoffice anfangs oftmals wegen der mangelnden Infrastruktur und Technik. Auch wenn gemäss plattform-Umfrage über 80 % der Unternehmen während des ersten Corona-Lockdowns die Grundinfrastruktur (z. B. Laptop, digitale Kommunikationsmittel) sicherstellten, hörte die Unterstützung spätestens beim Einrichten des Home-Arbeitsplatzes und der notwendigen ICT-Abonnements auf: Nur 25 % der Arbeitgeber leisteten einen materiellen oder finanziellen Beitrag (z. B. Handy, Internet, Bildschirm, Mobiliar) für das Arbeiten von zu Hause. Anders als die notwendigen Regelungen im Arbeitsgesetz zu Arbeitszeit und Gesundheitsschutz sollten die Vergütung der mit der Verrichtung von Homeoffice verbundenen Ausgaben sowie zur Verfügungstellung von Arbeitsgeräten- und Arbeitsmaterial Bestandteil einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein. Die Voraussetzungen sind ja jeweils sehr individuell, sowohl was den Umfang als auch die vorhandene Infrastruktur betrifft. Es ist denkbar, dass der Mindestumfang einer solchen Vereinbarung im OR definiert wird. Die meisten Unternehmen werden zudem die betrieblichen Leitplanken, beispielsweise ein Homeoffice-Reglement, anpassen müssen. Fragen zur Erreichbarkeit müssen ebenfalls Bestandteil solcher Regelungen sein.

Letztendlich muss auch dem Gesundheitsschutz beim Arbeiten im Homeoffice ein besonderes Augenmerk geschenkt werden. Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) deckt die Situation im Homeoffice, d. h. ausserhalb des Betriebs, nicht ab. Es braucht vielmehr einen individualisierten Gesundheitsschutz. Der Schutz vor psychosozialen Risiken ist implizit im geltenden Arbeitsgesetz eingeschlossen: So muss der Arbeitgeber alle Anordnungen erteilen und alle Massnahmen treffen, die nötig sind, um den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit zu wahren und zu verbessern. Dies muss auch im Homeoffice gewährleistet sein, kann aber im Vollzug kaum durch Zugang zu privaten Räumlichkeiten kontrolliert werden. Auch hier stehen individuelle Vereinbarungen im Vordergrund.

Die plattform fordert daher eine Modernisierung des Arbeitsgesetzes (Definition, Gesundheitsschutz und Arbeitszeit), gekoppelt an entsprechende Präventionsmassnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes, und allenfalls auch eine Anpassung des Privatrechts. Der Gesetzgeber ist jetzt am Zug. Die plattform wird demnächst ihre politischen Forderungen dazu im Parlament einbringen.

Umfrage Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten

Im Mai 2020 haben die Angestellten- und Berufsverbände der plattform ihre Mitglieder zu den Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten befragt. Im Vordergrund standen die Lockerungsstrategie des Bundes, die Rückkehr in den regulären Arbeitsalltag und die Erwartungen für die Zeit nach der Krise, u.a. in Bezug auf Homeoffice. Insgesamt haben über 6'400 Erwerbstätige an der Umfrage teilgenommen.

 

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